Null Chancen räumten die Banken dem Projekt „Familienpark Sottrum" ein. Keine müde Kredit-Mark gewährten sie Peter Deicke, als er sein Unternehmen gründen wollte. Doch der Mann setzte alles auf eine Karte, kratzte Geld aus allen Ecken zusammen und ging mit einem aus der Geld-Not geborenen Konzept an den Start.
Während andere Parks auf immer schnellere und lautere Fahrgeschäfte setzten, bot er genau das Gegenteil: Rollerparcours statt Achterbahn. Sein Plan ging auf. Selbst in schlechten Sommern, wenn viele Freizeitparks über mangelnden Besuch klagen, läuft das Geschäft in Sottrum. In diesem Jahr wurde das Unternehmen 25 Jahre alt.
Von Anfang an war der Familienpark auch ein Familienunternehmen. Christa und Peter Deicke schufteten im Park, Peter Deickes Mutter Magdalena verkaufte Eintrittskarten, bis sie weit über 90 Jahre alt war. Anders wäre es nicht gegangen. Für Angestellte war kein Geld da. Peter Deicke erfüllte sich mit dem Park einen Traum. Als junger Mann hatte er viele Berufswünsche: Bauer, Verteidiger, Pastor, Tierarzt, Zoodirektor. „Heute bin ich alles in einem", sagt er. Für einen Bauernhof habe ihm das Geld gefehlt, für alles andere die Intelligenz, scherzt der 82-Jährige.
Nach zahlreichen beruflichen Stationen, unter anderem betrieb er zwölf Jahre eine Pony-Ranch in Heiligenhafen und eine Tanzschule in Hildesheim, weckte der einstige Freizeitpark in Sottrum sein Interesse. „Fichtelmann, Feldschlösschen und andere planten und bauten hier für 18 Millionen D-Mark einen Vergnügungspark", erinnert sich Deicke. Nach drei Jahren war der Park pleite, mit einer halben Million D-Mark im Soll. Das war die Gelegenheit: Deicke übergab seiner Tochter Karin die Tanzschule und stürzte sich auf sein neues Projekt. „Doch die Banken glaubten nicht daran, dass ich das negative Image des Parkes aufheben könnte", erzählt der Unternehmer. Er verkaufte also eine Ferienwohnung, alte Möbel und pumpte Freunde an.
Eine der ersten Sehenswürdigkeiten im FamilienparkDas Gelände sollte still versteigert werden. „Das bedeutet, die Gebote werden in geschlossenen Kuverts abgegeben. Deicke bot alles, was er hatte – 250 000 Mark.Er bekam den Zuschlag. Kein Wunder: Er war der einzige, der geboten hatte – das erfuhr er hinterher. Nun gehörten ihm 180 000 Quadratmeter, ohne Fahrgeschäfte. Die kaufte damals der „Heide-Park" Soltau. „Das Gelände sah aus wie Flandern nach dem Ersten Weltkrieg", erinnert sich Deicke. In acht Jahren brachte er 150 000 Kubikmeter Erde in den Park, schaffte so ebene Flächen. Für Spielgeräte oder Karussells fehlte anfangs das Geld. Doch Deicke ist ein findiger Mensch, baute Spielzeug aus Schrott, sammelte Roller vom Sperrmüll, reparierte sie und eröffnete den Familienpark Sottrum. 50 Pfennig Eintritt, um beispielsweise durch ein Eisenrohr in die Erde zu spähen: „Beobachte, was der Maulwurf sieht", stand auf dem Schild daneben.
„Nur solchen Unsinn habe ich mir ausgedacht", erinnert sich Deicke. Aber genau der zog die Gäste an. Sogar das Fernsehen wurde aufmerksam, gleich im ersten Jahr gab es einen Bericht im Fernsehen. Damit war Deicke seinem Traum einen Schritt nähergekommen, es sollten noch viele weitere Folgen. Eine Menge Arbeit und jeden Pfennig steckte die Familie in den Park. Die ersten acht Jahre wohnten Peter, Christa und Töchterchen Sonja Deicke auf 36 Quadratmetern in einem Blockhaus auf dem Gelände. Trotz der Enge – ein Paradies für das Kind. „Sie ist wild aufgewachsen", schmunzelt Deicke. Schließlich hatten die Eltern keine Zeit, den Spross ständig im Auge zu behalten. Der Vater konstruierte immer wieder neue Spielgeräte, dachte sich neue Sehenswürdigkeiten aus, die Mutter schuftete mit, backte nachts Kuchen für die Gastronomie auf dem Gelände. Das 36-Quadratmeter-Blockhaus tauschten die Deickes vor Jahren gegen eine doppelt so große Wohnung auf dem Gelände ein, doch viel mehr Luxus leisten sie sich nicht. „Wir stecken noch immer jeden Cent in das Unternehmen. Markenklamotten haben wir nie getragen", erklärt Deicke. Der 82-jährige Gründer des Parkes hat die GmbH mittlerweile seiner Frau überschrieben, sie ist Geschäftsführerin. Tochter Sonja, die gerade ihr Studium abgeschlossen hat, wird nun in die Fußstapfen des Vaters treten. Ob sie auch so kreativ ist wie der Papa? „Das entwickelt sich", sagt Deicke und schenkt der jungen Frau neben ihm einen liebevollen Blick. „Sonja wird mich problemlos ablösen." Noch kann sie sich bei ihrem Vater ja einige Anregungen holen.
Der plant für das Frühjahr 2013 mit der Uni Hildesheim, den Naturschutzbehörden und dem Geologischen Landesamt eine Bodenausstellung. Nach Deickescher Art wird dem Gast ein Blick in die Erde gestattet, mit riesenhaft vergrößerten Lebewesen, die unglaubliche Fähigkeiten haben. Solche großen Projekte gehören für die Deickes neben der alltäglichen Arbeit einfach dazu. Da kann es schon einmal passieren, dass sie den 25. Eröffnungstag ihres Parks am 3. Juni ganz einfach selbst verpassen. Wird der Tag denn nun nachgefeiert? Sonja und Peter Deicke schauen sich ernst an, dann müssen beide lachen und sagen: „Keine Zeit!"
Jubiläumsaktionen für die Gäste im Juni: 10.: Luftballon-Weitflug-Wettbewerb; 16.: Malwettbewerb; 17: Zirkusvorstellung des Kinderzirkus Hula Hoops; 23.: Besuch aus dem Märchenwald; 24.: Vom Schaf zum Schal: Was passiert alles, bis wir einen Schal in den Händen halten können.
Artikel in der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung vom 08.06.2012